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Aktionen-Vielfalt für Gemeinden

In Niederösterreichs Gemeinden tut sich was. Viele Aktionen ergänzen sich zunehmend in Richtung auf ein „nachhaltiges Ganzes“.  Die Synergiepotenziale werden teilweise bereits gut genutzt, in gewissen Bereichen gibt es wohl auch noch Verbesserungspotenzial.

Artikel und Grafik aktualisiert, zuletzt am 20.10.2022, Andreas Scherlofsky
Die Grafiken können heruntergeladen und kostenlos in der Öffentlichkeitsarbeit z.B. bei Vorträgen verwendet werden.

 

Die Anfänge.

Die ersten großen Aktionen in NÖ entstanden aus Initiativen der Basis im Wechselspiel mit Förderungs- und Ordnungssystemen von Politik und Verwaltung. Viele setzten auf Gemeinde-, Orts- oder Projektebene an: Ab 1976 (!) die Ortsbildaktion „Schöneres Bauen in NÖ“, heute „NÖ Gestalte(n)“ zur baukulturellen Wertevermittlung für erhaltungswürdigen Bau- und Siedlungsformen, gefolgt ab 1985 von der bis heute breitesten Initiative, der „NÖDorferneuerung“. Sie zielt auf Einrichtungen und Aktivitäten im Dienste der lokalen Gemeinschaft: Zentrumsgestaltung, Dorfhäuser, Spielplätze, Integrationsevents, Solarkollektorengruppen, Kultur- und Fitnesseinrichtungen u.v.m. Wer mitmachen möchte, gründet einen Verein und kann mit Prozess- und Projektberatung, Förderungen und Publizität rechnen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor war und ist dabei ein hoher Anteil an freiwilliger Eigenleistung der Ortsbevölkerung.

Entwicklung der Programme und Aktionen in NÖ

Viele Aktionen fokussieren auf spezielle Themen, andere wie NÖ Gemeinde 21, Klimabündnis oder KLAR!- und Kleinregionen könnten synergetisch auf ein „nachhaltiges Ganzes“ hinwirken.

 

Über die Jahre erweiterte die NÖ Dorferneuerung schrittweise ihr Angebot: 1992 um die Stadterneuerung. Seither heißt sie „NÖ Dorf- und Stadterneuerung“ (DSE). Als Dach für mittlerweile 674 Ortsvereine und als Interessenvertretung entstand der „Verband der NÖ Dorf- und Stadterneuerung – Gemeinschaft der Dörfer und Städte“, lange Zeit auch Arbeitgeber der DSE-BeraterInnen, bis diese 2015 von der neugegründeten NÖ.Regional.GmbH übernommen wurden.

Schon davor, 2005, entwickelte die DSE auf Basis der UN Agenda 21 – sozusagen als Top-Modell die „NÖGemeinde21“, die bis dato in 90 Gemeinden realisiert wurde. Dieses basiert auf den Nachhaltigkeitszielen der Rio-Konferenz: partizipativ, mit Leitbildentwicklung, davon abgeleitet konkrete Projekte zur Umsetzung in den Folgejahren. Mittlerweile kommen diese Kernelemente auch in den anderen Angeboten der DSE zur Anwendung, auch im jüngsten Angebot, der „NÖ Stadterneuerung XL“. Die DSE war so erfolgreich (bisher nahmen Ortsvereine aus 493 Gemeinden teil), dass 1998 die Dauer der Betreuung auf vier Jahre (ev. +1 verlängert) begrenzt wurde. Danach muss vier Jahre pausiert werden, in denen man aber weiter aktiv sein und sich z.B. auch bei Ideen- und Projektwettbewerben einbringen kann.

 

Ökologische und soziale Nachhaltigkeit.

Viele andere ab ca. 1990 eingeführte Aktionen arbeiten mit „Gemeinde-Labels“, die in der kommunalen PR Verwendung finden. Viele fokussieren auf Ökologie und Naturschutz, etwa die Aktion „Natur im Garten“, die seit 1989 die Ökologisierung von Gärten und Grünanlagen vorantreibt und seit 2012 mittlerweile 351 „NIG-Gemeinden“ auszeichnet, aber auch die Möglichkeit bietet, sich zum biologischen Pflanzenschutz zu bekennen (aktuell 472 Gemeinden). Eine weitere Aktion mit Naturschutzfokus sind die 450 „Wir-sind-Bienen-Gemeinden“. Weit über den Umweltfokus hinaus auch in die anderen Dimensionen der Nachhaltigkeit gehen die 84 Mitgliedsgemeinden im „Europäischen Bodenbündnis“ mit Fokus auf dem Erhalt gesunder Böden, der Vermeidung von Bodenerosion und dem Kampf gegen die Bodenversiegelung bzw. für bodenschonende Raumplanung. Auch die derzeit 49 „Naturpark-Gemeinden“ sehen sich als Triebkraft für einen „nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsraum als Basis des Naturraumes“.  

Sowohl soziale als vielfach auch ökologische Anforderungen promoten aktuell 100 „FAIRTRADE-Gemeinden“ sowie 428 Klimabündnis-Gemeinden, letztere betreut durch das „Klimabündnis NÖ“, eine NGO, die - ähnlich wie die „KLAR!-Regionen“ (Klimawandelanpassungsregionen) mit Projekten an unterschiedlichsten klimarelevanten Themen arbeitet (Klima-, und Umweltbewusstsein, sanfte Mobilität, erneuerbare Energie, Naturschutz, nachhaltige Ernährung, etc.) und zugleich indigene Völker am Rio Negro in Brasilien bei der Regenwalderhaltung unterstützt. Bei den Klimaaktivitäten gibt es Überschneidungen und Synergien mit den nach 2010 entstandenen inzwischen 519 „Mobilitätsgemeinden“ und den energie-bezogenen 65 „e5-Gemeinden“. 

Wieder andere Gemeindeaktionen arbeiten mit Zertifizierungen und fokussieren primär auf die soziale Dimension der Nachhaltigkeit: so die 153 „familienfreundlichen Gemeinden“ (100 davon mit dem UNICEF-Zusatzzertifikat „kinderfreundliche Gemeinde“) und die „Gesunde Gemeinde“ (434) zur Implementierung von Gesundheitsförderung und Prävention.  

Im Schnitt beteiligen sich die insgesamt 573 NÖ Gemeinden an mehr als 9 (!) Aktionen gleichzeitig über längere Zeiträume hinweg.

 

Beteiligung an rogrammen und Aktionen für Gemeinden

Nach neuester Berechnung beteiligen sich die insgesamt 573 NÖ Gemeinden im Schnitt an ca 9 (!) Aktionen gleichzeitig, viele über längere Zeiträume hinweg.

 

Regionalkooperationen.

Eine zweite Gruppe von Gemeindeaktionen basiert auf dem Prinzip „Gemeinsam erreichen wir mehr“: Größere Maßnahmenprogramme werden möglich, effektive Managementstrukturen aufgebaut. Viele sind auf einen bestimmten Zweck ausgerichtet, z.B. die 20 NÖ KEM-Regionen (Klima- und Energie-Modellregionen mit derzeit 287 Gemeinden, in weiteren früheren KEM-Regionen weitere 186 Gemeinden); andere sind thematisch breiter aufgestellt: z.B. die 28 NÖ KLAR!-Regionen (269 Gemeinden), wo vielfältige Aktivitäten im Dienste der Klimawandelanpassung realisiert werden (hier geht es neben Bewusstseinsbildung, vor allem um Aktivitäten zur Beschattung, klimafitte Grünflächen, Gebäude, Land- und Forstwirtschaft) oder die seit 1985 initiierten „NÖ Kleinregionen“, mittlerweile 62 an der Zahl und – trotz Freiwilligkeit – bereits 506 NÖ Gemeinden abdeckend. Einige davon nutzen meisterhaft Synergien zwischen den unterschiedlichen Regionalaktionen. Der Verein Zukunftsraum Thayaland etwa agiert - teils abwechselnd, teils gleichzeitig - seit 2006 als NÖ Kleinregion, später auch als KEM-Region und zusammen mit der Kleinregion ASTEG als KLAR!-Region. Aktuell läuft die Bewerbung als LEADER-Region. – Womit wir bei einer weiteren wichtigen, EU-weiten Förderungs-Aktion wären, den 18 NÖ LEADER-Regionen, die in NÖ 500 Gemeinden abdecken.

 

Professionalisierung

Zutrittsschwellen und Beteiligungsanforderungen unterscheiden sich beträchtlich. Bei den einen reicht ein zustimmender Gemeindevorstands- bzw. Stadtratsbeschluss oder überhaupt nur eine Erklärung. Bei anderen muss zunächst ein mehrjähriger Implementierungsprozess nachgewiesen werden (Zertifikat „familienfreundliche Gemeinde“). 
Ebenso unterschiedlich ist die Erfolgskontrolle: Periodische Berichte (zB. bei FairTrade), Berichtsreflexion (zB. bei Kleinregionen), Umsetzungs-Barometer mit Fortschrittsevaluierung (zB. beim Klimabündnis), bis hin zu Zertifizierungen. 
Alles in allem zeigt sich sowohl bei Gemeinde- als auch bei Regionalprogrammen ein Trend zur Professionalisierung. Gerade bei regionalen Gemeindezusammenschlüssen wie LEADER- und Kleinregionen, e5-Gemeinden, KEM- und KLAR!-Regionen, aber auch bei den von NÖ.Regional begleiteten Dorf- und Stadterneuerungsprojekten, allen voran NÖ Gemeinde21, wird das Konzept des systemischen Managements angezeigt: Prozess-Management-Verantwortliche, professionell begleitet, Start mit Bestandsaufnahme und Leitbildentwicklung, Einbeziehung der Bevölkerung, Ableitung konkreter Maßnahmen mit klaren Zielen und Qualitäts-Anforderungen, mehrjährige Umsetzungsphasen und Erfolgskontrolle.

 

Unterstützungsangebote

Fast alle Aktionen und Programme werden durch Beratung, Schulungsangebote, ReferentInnen-Service, Infomationsmittel, sowie zahlreiche Förderungen unterstützt. Zum Teil ist von den Gemeinden ein Mitgliedsbeitrag (zB. bei den Klimabündnisgemeinden, gestaffelt nach Einwohnerzahl) oder zumindest ein angemessener finanzieller Beitrag zu entrichten (zB. bei Naturpark-Gemeinden. Oft sind auch Eigenanteile für Anstellungen und Investitionen zu leisten, was erfahrungsgemäß Gemeindezusammenschlüssen leichter fällt. 
Auf der anderen Seite werden sowohl die Gemeinden als auch viele der Programmträger (sofern es sich nicht sowieso um Vorfeldorganisationen des Landes handelt) kräftig aus Landes-, Bundes- und EU Mitteln gefördert. 
Einen guten Überblick über die Förderungsangebote aller Ebenen und Bereiche bietet das bei der ENU angesiedelte „Kommunale Förderzentrum“ aber auch die jeweiligen Aktionsprogramme.

 

Beteiligungsstatistik ausreichend?

Nicht immer aus der Beteiligungsstatistik ersichtlich sind die Anteile der tatsächlich aktiven Gemeinden. Wer einmal dabei war, wird in den seltensten Fällen „hinausgeworfen“. Die Intensität der Projektarbeit, auch die relative Wirkung ist – zumal dort, wo keine klaren Erfolgsparameter gesetzt und kontrolliert werden, schwer einschätzbar und schwankt über die Jahre. Dennoch, einen gewissen Orientierungswert bieten die Beteiligungszahlen. Und wer sich die Mühe macht, genauer Statistik zu führen (zB. die Dorf- und Stadterneuerung) weiß genauer bescheid und kann besser steuern.

 

Was wurde berücksichtigt?

Sehr knifflig war die Entscheidung, welche Aktionen hier zu berücksichtigen sind und welche draußen bleiben sollen. Kernkriterium war letztlich, dass für die betreffende Aktionen die beteiligte Gemeinden als Ganzes einsteht und in der Kommunikation möglichst ausdrücklich der Titel „XY-Gemeinde“ verwendet und damit eine Liste der beteiligten XY-Gemeinden geführt werden kann, mit genau definierten Anforderungen. 
Die Zuordnung fiel relativ leicht bei Programmen wie FairTrade-Gemeinde, Gesunde Gemeinde, Klimabündnis-Gemeinde, etc. Es gab aber auch Grenzfälle zB. die Gemeinden im „Bodenbündnis“. 
Nicht aufgenommen werden sollten Aktionen, die v.a. bestimmte Fördertitel betreffen, zB. NAFES, denn dann müsste man die Tür gewaltig weit für unzählige weitere Förderaktionen öffnen. Auch die zahlreichen Gemeinde-Auszeichnungen mussten – aufgrund ihres Moment-Charakters draußen bleiben, z.B. „baumfreundliche Gemeinde“, „Jugend-Partner-Gemeinde“ und viele andere.  
Andererseits wurde bald klar, dass auch Regionalverbünde einbezogen werden sollten, weil sie auf einzelnen Gemeinden aufbauen, die ihre Wirkung durch die Nutzung von Synergien steigern und damit zB. zu KEM- oder Klein- oder KLAR!-Regionsgemeinden werden. Hier wurde die Grenze gegenüber den Abfall- und Umwelt-, Trink- und Abwasserverbänden gezogen, die zwar zweifellos sehr nachhaltigkeits-relevant sind aber eher m.o.w. wie gemeinnützige Wirtschaftsunternehmen funktionieren. 
Man sieht schon, eine knifflige Abgrenzungsfrage, die die mit diesem Artikel verbundene Recherche bis zum letzten Augenblick begleitete.

 

Ziel der Untersuchung

Idee und Ziel dieses Beitrags war eine Momentaufnahme, eine handlich komprimierte Marktübersicht, ein „Menü“ nachhaltigkeitsrelevanter Programme und Aktionen für NÖ Gemeinden. Dazu die Beteiligungszahlen zur Einschätzung der aktuellen Verbreitung. Wobei diese Übersicht aber auch für die Aktionen selbst und für die gemeinsame Nachhaltigkeitspolitik von strategischem Interesse sein sollte, zB. eine Basis für Überlegungen über weitere Synergiepotenziale.

 

Synergiepotenziale.

Diese ergeben sich sowohl auf Seiten der Gemeinden, die sich aus der Vielfalt der Angebote ein „nachhaltiges Ganzes“ zusammenstellen und Unterstützung in Form von Beratung und Förderungen abrufen können; aber auch auf der Anbieterseite, etwa in Form einer optimierten Abstimmung, gegenseitiger Ergänzung oder sogar Kooperation. So laden einige NÖ Vorfeldorganisationen wie NÖ.Regional, Natur-im-Garten, Klimabündnis oder die Energie- und Umweltagentur zu Planungssitzungen oder Aktionstagen auch jeweils andere Aktionen mit ein bzw. stimmen sich bei wichtigen Terminn ab. Bei der heutigen Vielfalt an Aktionen und Programmen drängt sich die Frage auf, ob es das auch schon war oder ob sich nicht weitere Synergiepotenziale in Richtung auf ein „nachhaltiges Ganzes“ erschließen lassen. Dies ließe sich z.B. mit einer qualitativen Befragung oder bei einem  Strategieevent klären. Oder man veranstaltet, statt immer nur sich selbst zu feiern, einmal ein Aktionsfest, bei dem sich - ähnlich wie bei den Ortsbildmessen der 80er Jahre – , sowohl Landesangebote als auch Nicht-Landes-Initiativen vorstellen, kombiniert mit Unterhaltung, Diskussion, Vorträgen, Ausstellungen und Möglichkeit zum persönlichen Kennenlernen und Erfahrungsaustausch.  

Dr. W. Andreas Scherlofsky MA MSC, Amt der NÖ Landesregierung, Gruppe Umwelt und Verkehr, Univ.-Lektor für Nachhaltigkeitskommunikation an der Uni Wien.

 

Weitere Details …

Die geplante tabellarische Übersicht der Nachhaltigkeitsprogramme für Gemeinden durchläuft gerade noch einen letzten Check. Sie informiert systematisch und „auf einen Blick“ über die jeweiligen Angebote, Vorteile, Anforderungen, Unterstützungsangebote, Beispielprojekte und Kontakte.

Bis dahin finden sie detaillierte Informationen online über die  folgenden Verlinkungen:

 

Weitere Regionalbezüge:

 

Literatur- und Literaturtipp:

Gerd Oelsner: Nachhaltigkeitstreiber« Lokale Agenda 21, Kommunen und Zivilgesellschaft als Pioniere des Wandels. München 2022. 416 Seiten, Buch 29,00 €, E-Book 22,99 €.

Sabrina PEER: Agenda 2030: Lokalisierung, Umsetzung und Medienkommunikation in Städten und Gemeinden Niederösterreichs, Masterarbeit der Universität für Bodenkultur, Wien 2022

Download:

Aktuelle Filme zum Thema Landflucht und Dorfentwicklung

 

Autor:

Dr. W. Andreas Scherlofsky MA MSc, Abteilung RU7 und Univ.-Lektor für Nachhaltigkeitskommunikation an der Universität Wien

 

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