Friedhöfe sind viel mehr als stille Gedenkstätten. Sie sind auch Rückzugsort und Lebensraum für Pflanzen und Tiere oder Trittsteinbiotope, aus denen neue Habitate besiedelt werden. Eine naturnahe, umweltfreundliche Grabgestaltung trägt dazu bei.
Eng verzahnte Strukturen auf kleinem Raum machen Friedhöfe zu besonderen Standorten für Flora und Fauna. Mit altem Baumbestand, Wiesen, Steinhaufen, Totholz, Mauerritzen und mehr bieten sie eine Fülle an Lebensräumen und leisten einen wichtigen Beitrag zum Natur- und Klimaschutz.
Artenvielfalt. Wer bei der Grabgestaltung auf heimische Pflanzenarten setzt, braucht weniger Zeit für die Pflege und stellt Insekten und anderen tierischen Bewohnern Nahrung in Form von Nektar und Früchten bereit. Ungefüllt blühende Pflanzen sind insektenfreundlich, weil sie Pollen und Nektar bieten. Von Bäumen und Hecken profitieren Vogelarten, wie Amseln, Rotkehlchen, Meisen, Spechte und viele mehr. Säugetiere, wie Igel, Siebenschläfer, Haselmaus, Spitzmaus und Fledermaus, sind ebenso das ganze Jahr über auf dem Friedhof zu finden. Moose, Flechten und Pilze finden auf schattigen Flächen und Steinen günstige Lebensbedingungen.
Dauerbepflanzung. Eine intensive Grabgestaltung mit jährlich mehrmals wechselnder Bepflanzung ist in jeder Hinsicht ressourcenaufwändig. Die ökologisch sinnvolle und pflegeleichte Variante bevorzugt heimische, standortgerechte Pflanzen die genügsam sind und wenig Pflege brauchen. Eine bewährte Dauerbepflanzung sind z. B. Kleingehölze, wie Zwergmispel, Berberitze oder Bartblume, die mit Frühjahrsblühern, wie Blaustern, Schneeglöckchen und Alpenveilchen, kombiniert werden. Diese ziehen nach der Blüte ein und machen Platz für niedrig wachsenden Stauden, z. B. kleinbleibende Arten von Glockenblumen, Phlox und Ehrenpreis. Gemeinsam mit Kräutern wie Thymian und Lavendel bringen sie an sonnigen Standorten das Grab zum Blühen. Im Halbschatten bis Schatten gedeihen Funkie, Schneerose, Lungenkraut, Günsel, Vergissmeinnicht und Bergenien kombiniert mit niedrigen Farnen und Ziergräsern.
Auf Friedhöfen mit altem Baumbestand und naturnah bepflanzten Gräbern schauen auch tierische Besucher vorbei und finden hier wertvollen Lebensraum. Das Projekt „BaF – Biodiversität am Friedhof“ lädt ein, sich bei der Sichtung und Dokumentation zu beteiligen.
Naturnahe Pflege. Verzichten Sie der Umwelt zuliebe auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Düngern und Pflanzenschutzmitteln und zum Schutz der wertvollen Moore auf Torfsubstrate. Gedüngt wird mit Kompost und weil Pflanzenreste und Grünschnitt wieder auf dem Komposthaufen landen, bleibt alles im natürlichen Kreislauf. Achten Sie bei der Anlage und Renovierung von Mauern darauf, dass Fugen vorhanden sind. Laufkäfer, Eidechsen und Wildbienen werden es Ihnen danken. Mulchen Sie die Grabfläche zwischen den Pflanzen mit Hackschnitzel, Gartenfasern, Flachs- oder Hanfschäben, dann bleiben Pflege- und Wasserbedarf gering. Herbstlaub kann als organisches Düngemittel am Grab und damit im Kreislauf der Natur bleiben. Kleinstlebewesen bauen die verwelkten Blätter ab und
sorgen für einen humosen und lebendigen Boden.
Mit Bedacht wählen. Elemente aus heimischem Holz oder regionalem Gestein bieten Möglichkeiten für eine natürliche Gestaltung. Ein großer Teil von Natursteinen für Grabsteine und Einfassungen wird importiert, verbunden mit hohen CO2-Belastungen. Meist werden sie unter teils menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt und dabei Boden, Wasser, Luft und Vegetation geschädigt. Heimische Steine oder Kreuze von lokalen Betrieben garantieren Qualitätshandwerk, bessere Arbeitsbedingungen und kürzere Transportwege. Grabschmuck aus Naturmaterialien, etwa getrocknete Fruchtstände und Zapfen auf einer Basis aus Stroh kann kompostiert werden, wenn sich das Gesteck nach der Verwendung in die einzelnen Materialien zerlegt lässt.
Lichterschein. Auch bei der Auswahl der Grabbeleuchtung sollte man genau hinsehen. Die Mehrzahl der Grabkerzen besteht aus wenig nachhaltigen Ölverbindungen in Plastikbechern. Bevorzugen Sie Grablichter oder Laternen aus Glas. Sie sehen edler aus und halten auch länger, weil die Kerzen immer wieder nachgefüllt werden können. Elektrische Grablichter benötigen Batterien, die ebenso als Sondermüll getrennt entsorgt werden müssen wie defekte LED-Kerzen.
Wer raschelt da? Regelmäßigen Friedhofsbesucherinnen und -besuchern ist die Begegnung mit Tieren nicht fremd. Eine umfassende Analyse der Flora und Fauna auf Friedhöfen gab es allerdings nicht, bis ein Forscherteam rund um Thomas Filek von der Universität Wien es sich zum Ziel gesetzt hat, die Fauna und Flora im Habitat Friedhof möglichst ausführlich zu dokumentieren. Im Fokus steht dabei die Erforschung der letzten Ruhestätten als Lebensräume und mögliche Rückzugsorte für bestimmte Arten.
Mitmachen. Im Frühjahr 2021 wurde das Citizen-Science-Projekt „BaF – Biodiversität am Friedhof“ ins Leben gerufen. Es lädt ein, sich bei der Sichtung und Dokumentation von Tieren und Pflanzenarten auf unseren Friedhöfen zu beteiligen und hat mittlerweile auch internationale Aufmerksamkeit errungen. Eine Ausweitung des Projekts wurde 2022 gestartet und umfasst nun generell Friedhofsareale in Österreich, wobei der Fokus weiterhin auf dem Stadtgebiet von Wien liegt. Besonders geschützten und bedrohten Tierarten (u. a. alle Reptilien- und Amphibienarten) wird Aufmerksamkeit geschenkt, um deren Erhalt zu fördern.
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ELKE PAPOUSCHEK, Redaktion
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Vielerorts sehen sich Pflegekräfte auf den Friedhöfen mit dem Thema Unkraut konfrontiert. „Natur im Garten“ hat Gestaltungsmöglichkeiten gesammelt, die ohne den Einsatz von giftigen Pflanzenschutzmitteln auskommen und zugleich die Artenvielfalt erhöhen. Eine Broschüre steht unter naturimgarten.at bereit. Gemeinden werden mit einem umfassenden Service- und Beratungspaket bei der ökologischen Pflege und der Gestaltung ihrer Grünräume unterstützt.
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