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Wenn Energieberater ins Schwärmen kommen ...

 

Wie wir unsere Häuser heizen bzw. kühlen, verändert sich durch Klimawandel, steigende Temperaturen und häufigere Extremwetterereignisse. Dabei gewinnt die sogenannte Lastverschiebung durch Bauteilaktivierung immer mehr an Bedeutung. Energieberater Josef Gansch gewährt Umwelt & Energie im folgenden Interview Einblick ins Thema.

 

Bei der Bauteilaktivierung handelt es sich um eine innovative und schon vielfach erprobte Bauweise, die thermische Masse von Gebäudestrukturen nutzt, um effizienter und nachhaltiger zu heizen und zu kühlen. Durch Lastverschiebung wird die Energie zum Heizen oder Kühlen nicht gleichzeitig, sondern zeitversetzt verbraucht, um das Stromnetz zu entlasten. Im Gespräch mit Ing. Josef Gansch, MSc. von der Energie- und Umweltagentur NÖ erfahren wir mehr.

 

Funktionsweise. 

Umwelt & Energie (U & E): Wie funktioniert die Bauteilaktivierung? 
Josef Gansch (JG): Die thermische Bauteilaktivierung (TBA) ist ein Verfahren aus der Bau- und Klimatechnik. Dabei werden massive Bauteile von Gebäuden, zum Beispiel Wände oder Decken genutzt, um im Winter Wärme zu speichern bzw. im Sommer überschüssige Wärme abzuführen. Die TBA in Kombination mit hochwertiger Dämmung ermöglicht niedrige Vorlauftemperaturen und das wiederum ist ideal für den effizienten Einsatz von Wärmepumpen. Zurecht gilt sie daher als „Heizung der Zukunft“.


Mit der TBA kann eine Wärmepumpe sehr effizient heizen oder kühlen.

 
Möglichkeiten zum Energiesparen.

Wird die TBA bereits im Neubau eingesetzt, kostet sie zwar etwas mehr, sorgt aber dauerhaft für niedrigere Energiekosten und hohen Komfort.

 

Das Besondere: Die Heizschläuche (Heizregister) werden schon beim Bau in Wände und Decken integriert. Häufig werden dafür vor Ort betonierte Geschoßdecken verwendet, die damit zu einer Flächenheizung und gleichzeitig zu einem gewichtigen Speicher werden. In den Rohren fließt Wasser. Mit Bauteilaktivierung plus Erd- und Solarwärme wird erneuerbare Energie optimal genutzt. So sinkt die Heizlast, Temperaturschwankungen werden ausgeglichen und Spitzenlasten abgefedert.

 

U & E: Was ist der sogenannte Selbstregulierungseffekt? 
JG: Steigt die Raumtemperatur, wird die Wärmeabgabe automatisch verlangsamt – der Selbstregelungseffekt kommt zu tragen. Die Wärmeleitfähigkeit von Beton ist besonders hoch, so wird die gesamte Decke gleichmäßig erwärmt und gibt die Wärme langsam und kontinuierlich an den Raum ab. Im Sommer kann die aktivierte Gebäudemasse zur Kühlung genutzt werden. Dabei wird das Heizregister mit kühlem Wasser geflutet und kühlt die Räume. Dazu benötigt man eine Umwälzpumpe mit nur geringem Stromverbrauch. Das Wasser wird meist über ein Rohrsystem im Erdreich oder über eine bzw. mehrere Tiefenbohrungen gekühlt. Alternativ kann auch eine Luftwärmepumpe zur Kühlung verwendet werden, wobei die abgeführte Wärme dann ungenutzt bleibt. Schon 20 °C warmes Wasser in der Decke reicht, um Räume angenehm zu kühlen – wenn der Sonnenschutz passt.

 

Vorteile auf einen Blick.

U & E: Wo liegen die Vorteile der TBA im Vergleich zu traditionellen Heiz- und Kühlsystemen? 
JG: Zum einen ist sie sehr wartungsarm und langlebig zum anderen besteht ein großer Vorteil in der Flexibilität. Der Wärmespeicher kann genau dann aufgeheizt werden, wenn entweder die günstigsten Wärme- oder Stromtarife verfügbar sind oder wenn die Wärmequelle günstige Bedingungen hat (Luftwärmepumpe). Tiefenbohrungen hingegen haben unabhängig von der Uhrzeit immer die gleiche Quellentemperatur. So kann auch in der kühlen Nacht eventueller (Wind-) Stromüberschuss bzw. billiger Strom genutzt werden – künftig vielleicht sogar billige Netztarife.

 

Besonders in Verbindung mit erneuerbaren Energien spielt die TBA ihre Stärken aus.

 

Durch die große Speicherkapazität können Schwankungen im Angebot erneuerbarer Energie ausgeglichen werden. Speziell Wärmepumpen profitieren, sie müssen aufgrund der Speichermasse weniger oft ein- und ausgeschaltet werden und das erhöht ihre Lebensdauer. Auch Solarwärme von sonnigen Tagen kann gespeichert und später genutzt werden. Die Lastverschiebung gelingt in der Übergangszeit am besten.

 

Hoher Wohnkomfort, bessere Luft und mehr Platz.

 

U & E: Gibt es neben den technischen Vorteilen weitere Pluspunkte? 
JG: Ja, hier sind ein hoher Komfort, gesundheitliche Aspekte und Raumgewinn zu nennen. Der Reihe nach: Die Temperaturverteilung ist besonders gleichmäßig, es entstehen weder Zugluft noch Temperaturschwankungen. Das trägt zu hohem Wohnkomfort und hoher Behaglichkeit bei. Die Strahlungswärme wird vom Menschen als besonders angenehm empfunden. Dank TBA kommt es zu einer geringeren Luftumwälzung, was wiederum zu weniger Staubbelastung führt. Kühlere Raumtemperaturen sind besser für die Atmung und damit gesünder. Im Wohnraum braucht es keine Heizkörper oder Klimageräte mehr, so bleibt mehr nutzbarer Raum. Das ist besonders bei kleinen Wohnungen oder Räumen ein großer Vorteil. Die Flexibilität bei der Möblierung ist höher.

 

TBA in Neubau und Sanierung.

U & E: Kann die TBA nur im Neubau oder auch bei Sanierungen eingesetzt werden? 
JG: Im Neubau ist die TBA bei guter Planung relativ einfach zu implementieren, dort sollte sie Standard sein. In der Sanierung ist es etwas aufwändiger, aber auch möglich. Beim Trockenbau werden häufig Gipsbauplatten mit bereits installierten Heizungsrohren eingesetzt. Um die Gebäudemassen optimal aktivieren zu können, ist ein direkter, gut wärmeleitender Kontakt zu den Massiv-Bauteilen erforderlich, der am besten durch Einputzen erreicht wird.

 

Einsatz im Holzbau.

U & E: Geht die TBA auch im Holzbau? 
JG: Ja, es gibt auch Versuche in der Schweiz oder an der FH Salzburg in Kuchl, um Bauteilaktivierung in Holzbauten zu realisieren. Die Heizlastberechnung für das Klinikgebäude Arlesheim berücksichtigt die Dämmwirkung und Speicherfähigkeit der Massivholzwände. Da Holz eine geringere Masse besitzt, werden oft zusätzliche Bauteile, wie Betondecken, Estrichschichten oder Lehmputze aufgetragen.

 

U & E: Welche Rolle spielt die TBA in der Zukunft der nachhaltigen Gebäudetechnik? 
JG: Aufgrund der Tatsache, dass die thermische Bauteilaktivierung Energieeffizienz, Wohnkomfort und Nachhaltigkeit vereint, denke ich, dass sie in Zukunft eine Schlüsselrolle einnehmen wird. Es ist keine Frage, ob der Bausektor „aufspringen“ wird, sondern nur wann.

U & E: Vielen Dank für das Gespräch.

 

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Silvia Osterkorn-Lederer, Redaktion

 

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